Geschichten aus dem Handwerk
Die Wärme des Zusammenhalts
Es war das Jahr 1953 und das kleine Dorf Eckolstädt kämpfte immer noch mit
den Nachwirkungen des Krieges. Die Zeit der Zuteilung und Rationierung hatte
die Menschen fest im Griff. Lebensmittelkarten, Kleiderkarten und Kohlenkarten
bestimmten den Alltag. Doch die zugeteilte Menge an Kohlen, etwa 7
Doppelzentner Briketts pro Haushalt, reichte nie aus, um die bitterkalten
Wintermonate zu überstehen.
Die Menschen von Eckolstädt suchten nach Alternativen und
dabei kam ihnen die alte Straßenmeisterin von Camburg, Christina
Schultheiß, zu Hilfe. Sie hatte einen geheimen Plan, um ihre
Küchenherde und Kachelöfen warm zu halten:
Torfsteine. Kurzerhand riet sie den Dorfbewohnern, beim örtlichen
Kohlehändler, Freund Brill, 3000 Torfsteine zu kaufen und sie von
ihrem alten Bekannten Otto Gesell mit seinem zuverlässigen LKW
nach Eckolstädt bringen zu lassen.
Gesagt, getan.
Otto Gesell nahm die Herausforderung an und lenkte seinen
holzvergaserbetriebenen Lastwagen den Schmiedehäuser Berg
hinauf bis vor die Eckolstädter Schule. Gemeinsam mit einer
kleinen, aber entschlossenen Mannschaft, bestehend aus
Herrmann, Gößner und Gesell selbst, wurde geschuftet, um die
3000 Torfsteine in den Keller zu schaffen. Es war harte Arbeit, und nach zwei Stunden waren alle
erschöpft, aber stolz auf das Erreichte.
Die Wärme in der nun beheizten Küche der Schule war eine willkommene
Belohnung. Bei einer Tasse Kaffee erholten sich die Männer und Frauen
von der Anstrengung. Doch ihre Aufmerksamkeit wurde von einem
Weinballon in der Ecke des Herdes angezogen.
Es handelte sich um selbstangesetzten Hagebuttenwein, der kurz vor der
Fertigstellung stand. Neugierig wagten sie einen Schluck und waren
begeistert von seinem Geschmack. In der warmen Küche
begannen die Männer, von ihren Kriegserfahrungen und der Zeit in Gefangenschaft zu erzählen.
Die Frauen lauschten aufmerksam und waren berührt von den Erzählungen.
Die Zeit verging wie im Flug, und währenddessen leerte sich der Ballon
mit Hagebuttenwein langsam. Als die Dunkelheit hereinbrach, machte sich
Otto Gesell schließlich auf den Heimweg. Glücklicherweise gab es zu jener
Zeit keine Verkehrspolizei und er erreichte Camburg wohlbehalten.
In diesem Winter mussten die Menschen von Eckolstädt nicht frieren, dank
des Einsatzes von Otto Gesell, der in den folgenden Jahren regelmäßig
ihren Wintervorrat an Torfsteinen in die Schule brachte.
Die Geschichte von Eckolstädt zeugt von der beeindruckenden Stärke des
Zusammenhalts und der Einfallsreichtums in schwierigen Zeiten. Dank
einer eng verbundenen Gemeinschaft und ihrem unermüdlichen Einsatz
fanden die Menschen immer eine Lösung.
Als Erinnerung an diese ereignisreiche Zeit wird auch in Camburg der Torfkuchen gebacken.
Hier das überlieferte Rezept:
Man nehme drei Eier, 250 g Mehl, 250 g Butter, 300 g Zucker, 200 g saure Sahne, 1Teelöffel Natron
Fett und Paniermehl für die Form. Wer mag ein kleines Gläschen Hagebuttenwein.